Kieferorthopädische Chirurgie
Dysgnathieformen
Unter dem griechischen Wort „Dysgnathie“ sind Abweichungen der Form des Gesichtsschädels von der Norm zu verstehen, die den Bereich des Mittelgesichtes und des Unterkiefers betreffen. Nicht nur das Gesichtsprofil, sondern auch Zahnstellung sowie Kau- und Nasenatmungsfunktion sind durch die Fehlstellung beeinflusst.
Kieferfehlstellungen sind in der Regel sehr komplex und richten sich nach der Abweichung von der Norm in folgenden Ebenen:
- Sagittal
- Transversal
- Vertikal
- Kombinierte Fehlstellungen
1. Sagittale Fehlstellungen (Unterkieferrücklage bzw. vorstehender Unterkiefer)
Die Kieferfehlstellung muss nicht regelhaft von einem Kiefer allein ausgehen. So kann ein optisch auffällig vorstehender Unterkiefer durch eine Rücklage des Oberkiefers verursacht sein. Umgekehrt entsteht durch einen sehr prominenten Oberkiefer der optische Eindruck einer Unterkieferrücklage.
Unterkieferrücklage (Mandibuläre Retrognathie)
Vorstehender Unterkiefer (Mandibuläre Prognathie „Progenie“)
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Operation:
Seit etwa 50 Jahren findet die Unterkiefer - Operationstechnik nach Obwegeser - Dal Pont (benannt deren Schöpfern) Anwendung. Der Vorzug dieser Technik besteht in der grossflächigen Überlappung der knöchernen Segmente, die eine günstige Voraussetzung für eine ungestörte Wundheilung bietet. Dies wird durch den Nachteil erkauft, dass der in diesem grossflaechigen Überlappungsbereich verlaufende, das Unterlippengefühl vermittelnde Nerv (Nervus alveolaris inferior) dem Risiko einer permanenten Schädigung ausgesetzt wird.
Die Weiterentwicklung der modernen Stabilisierungstechniken von Knochen (Osteosynthese) erlaubt es, von dieser jahrzehntelang
bewährten Technik abzuweichen. Die Durchtrennung des knöchernen Unterkiefers erfolgt weit oben im aufsteigenden Unterkieferast
im Sinne eines weniger invasiven Eingriffes. Das Operationsgebiet ist in eine Region mit grösserem Abstand zum Unterkiefernerven
verlagert und dadurch das Risiko einer Nervschädigung minimiert. Kleine Titanplatten und Schrauben mit speziellem statischem
Design stabilisieren die verlagerten Kiefersegmente.
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Oberkieferrücklage
Obwohl der vorstehende Unterkiefer optisch imponiert, besteht bei dieser Patientin nach kritischer Betrachtung des Profiles und der Messwerte eine Rücklage des Oberkiefers.
Oberkieferrücklage
Operation:
Der Oberkiefereingriff wird ebenfalls auschliesslich über einen Zugang durch die Mundhöhle in Allgemeinnarkose vorgenommen.
Oberhalb der Zahnwurzeln entlang des Nasenbodens erfolgt die Lösung des Oberkiefers vom Mittelgesicht, so dass der Oberkiefer
entsprechend der präoperativen Planung nach oben zu verlagern, zu schwenken oder zu rotieren ist. Vorgefertigte Kunststoffschienen
(„splints“) sichern die Einstellung und Fixierung der neuen Kieferrelation zwischen den Zahnreihen. Die Behandlungszeit im
Krankenhaus beträgt nach in der Regel 3 Tage.
Nach Vorverlagerung des Oberkiefers normalisiert sich der umgekehrte Frontzahnüberbiß ebenso wie sich das Profil harmonisiert.
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Die Normabweichungen in dieser Ebene betreffen die Breite von Ober- und/oder Unterkiefer. Eine Behandlungsbedürftigkeit ergibt sich dann, wenn ein Zahnengstand durch einen zu schmalen Kiefer bedingt ist.
Transversale Ebene
Operation:
Zur Verbreiterung des Ober- oder Unterkiefers bei Erwachsenen wird eine chirurgische Gaumennahterweiterung über eine Distraktion (Dehnungsbehandlung) der Kiefer vorgenommen. In einer Operation in Vollnarkose wird der Oberkiefer von den umgebenden Strukturen gelöst und dann ein Distraktionsapparat eingesetzt, mit dem die Oberkiefersegmente in der postoperativen Phase über eine Dehnschraube kontinuierlich auseinanderbewegt werden, um ausreichend Platz zur Beseitigung des Engstandes zu gewinnen.
Nach einer mehrwöchigen Dehnungsphase folgt eine Retentionsphase, um ein Zurückwandern der Segmente zu verhindern.
Dehnungsphase
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Abweichungen in der vertikalen Gesichtshöhe können sich durch ein “Zahnfleischlächeln” (“gummy smile”) manifestieren.
“Zahnfleischlächeln”
Auch ein “Offener Biß”, bei dem im Frontzahnbereich ein Abstand zwischen den Schneidezähnen verbleibt, ist ein häufig anzutreffendes Symptom einer Abweichung in der vertikalen Ebene. Auch Mundatmung und Einschränkungen des Nasenluftweges sind bei vertikalen Kieferfehlstellungen häufig anzutreffen und können durch die Operation in der Regel eine Verbesserung erfahren.
“Offener Biß”
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Operation:
Der Oberkiefereingriff wird ebenfalls auschliesslich über einen Zugang durch die Mundhöhle in Allgemeinnarkose vorgenommen. Oberhalb der Zahnwurzeln entlang des Nasenbodens erfolgt die Lösung des Oberkiefers vom Mittelgesicht, so dass der Oberkiefer entsprechend der präoperativen Planung nach oben zu verlagern, zu schwenken oder zu rotieren ist. Vorgefertigte Kunststoffschienen („splints“) sichern die Einstellung und Fixierung der neuen Kieferrelation zwischen den Zahnreihen.
Um den im Frontzahnbereich offenen Biß zu schliessen, ist eine Anhebung (Cranialisierung) des hinteren Oberkieferanteiles notwendig, um
durch die dann resultierende Schwenkung den Biss im Frontbereich zu schliessen. Die Behandlungszeit im Krankenhaus beträgt in der Regel 3 Tage.
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Manifestiert sich die Fehlstellung in mehreren Ebenen des Gesichtstsschädels, so vermischen sich mehrere Symptome miteinander. Insbesondere die „Laterognathie“ (Seitliche Fehlstellung) manifestiert sich deutlich en face.
Kombinierte Fehlstellungen
Operation:
Bei komplexen kombinierten Kieferfehlstellungen ist eine Umstellungsoperation an Unter- und Oberkiefer die Regel,
um durch die dreidimensionale Verlagerung beider Kiefer die Normalisierung des Profilverlaufes und regelrechte
Bißverhältnisse zu schaffen. Die Behandlungszeit im Krankenhaus beträgt in der Regel 3 bis vier Tage.
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